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Wartung für die Lebensrettung – die ADAC Heliservice in Sankt Augustin

Angefangen hat alles auf dem Feld, in Afrika und in den rheinischen Weinbergen. 1963, vor genau 60 Jahren, gründete sich die heutige ADAC Heliservice zunächst als „Air Lloyd“ in Köln. Gewartet wurden damals Hubschrauber für den Agrarbetrieb, genauer: die Sprühfliegerei, um Pflanzenschutzmittel auf den Feldern und in den Weinbergen zu verteilen. Die Wartung erfolgte entweder vor Ort oder es wurden gewartete Hubschrauber per Schiff nach Afrika transportiert. Im Laufe der Jahre wandelte sich der Betrieb und ist heute einer der größten Standorte für die Instandsetzung und Wartung von Hubschraubern in Deutschland.

  • Fluggerätmechaniker Marcel Fortmann (links) und Michael Bratengeier (rechts)

    Fluggerätmechaniker Marcel Fortmann (links) und Michael Bratengeier (rechts)

Wenn ein Airbus vom Typ H135 oder H145 in die große Werkstatthalle in Sankt Augustin gefahren wird, dann der Sicherheit wegen, also zu reinen Wartungs-
und Instandhaltungszwecken. Zwar kann auch mal ein Teil kaputtgehen, doch da sämtliche Komponenten ausgetauscht werden, sobald sie nur ansatzweise Verschleiß oder etwas außer der Norm aufweisen, setzt die Wartung in der Regel vor dem Verschleiß ein.

Doch noch mal kurz zurück:
1970, wenige Jahre nach der Gründung, zog die damalige Air Lloyd in einen Neubau am Flugplatz Bonn-Hangelar um. Doch schon bald wandelte sich das Profil der Firma gründlich, als der ADAC Anfang der 80er einen Wartungsbetrieb für seine Luftrettungsflotte suchte. Es entstand die Idee, Technik und Know-how der Air Lloyd zu übernehmen. Zunächst beteiligte sich der ADAC am Unternehmen, übernahm Mitte der 90er Jahre den luftfahrttechnischen Betrieb komplett. Aus dem Agrarbetrieb wurde ein Partner der Luftrettung. Heute ist der Standort Hangelar die Zentrale des deutschlandweiten ADAC Heliservice mit zwei weiteren Standorten in Landshut und Halle-Oppin. Insgesamt werden deutschlandweit über 120 Hubschrauber betreut, 95 Prozent davon bedienen hoheitliche Aufgaben, das heißt, sie zählen zur Flotte der gemeinnützigen ADAC Luftrettung, einiger Länder- und Bundespolizeien sowie dem niederländischen Luftrettungsdienst ANWB, die übrigen 5 Prozent verteilen sich auf private Kunden.

Verhältnis Flugstunde – Wartung 1:2
Ulrich Amersdorffer, Geschäftsführer der ADAC Heliservice, empfängt uns heute und führt gemeinsam mit Hendrik Nötzold, Prokurist in Hangelar, sowie dem Technischen Leiter, Sebastian Friese, in die Werft. Die Halle versprüht trotz ihrer Größe eine heimelige Atmosphäre. Hier ist es angenehm temperiert und an den Prototyp einer Werkstatt mit Ölflecken, Unordnung oder Sägespänen erinnert rein gar nichts. Im Gegenteil. Frisch gewienert stehen die glänzenden Riesen in ihrem sonnengelben Ton aufgereiht nebeneinander, manche – wortwörtlich – völlig entblättert und lassen den Blick frei auf eine unendliche Zahl an Kabel- und Schraubverbindungen. Abgesehen von regelmäßig startenden Flugzeugen vor den Fenstern der Werkstatthalle, ist es relativ ruhig. 8 bis max. 10 Helis passen in die Halle, die meisten von der ADAC Luftrettung, ein grauer von der Bundeswehr steht auch dabei. Neben jedem gibt es

einen PC-Arbeitsplatz, an dem sämtliche Reparaturen dokumentarisch vermerkt werden, selbstverständlich hat jedes noch so kleine Teil seine eigene Checkliste und Anleitung wie es zu handeln ist. Auffallend sind auch die vielen abschließbaren Werkzeugkästen eines jeden Mechanikers. „Jeder Schraubenzieher, Zange oder Drehmomentschlüssel hat hierin seinen vorgeschriebenen Platz, an den er nach getaner Arbeit abgelegt, dokumentiert und der Kasten verschlossen werden muss“, erklärt Technik-Chef Sebastian Friese. Der Grund: „Sie kennen die Geschichten über vergessenes OP-Besteck im menschlichen Körper…? Ist im Heli vielleicht etwas anders, kann aber auch gefährlich werden.“

Sicherheit während des Fluges hat bei der Luftrettung oberste Priorität. Das verdeutlicht das Verhältnis von Wartung zu Einsatz: „Auf jede Flugstunde kommen anderthalb bis zwei Stunden Arbeit im Hangar, das heißt, dass jeder Heli in etwa doppelt so lange überprüft wird, wie er fliegt“, versichert Geschäftsführer Ulrich Amersdorffer. Beim H145 Airbus, dem größten in der Flotte, liegt das Verhältnis von Flug zu Wartung sogar bei 1:3. Amersdorffer kennt sich aus. Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker war über 22 Jahre bei Airbus beschäftigt, zuletzt als Leiter des Wartungsgeschäftes in Deutschland von Airbus Helicopters. 2016 wechselte er als Werksleiter zur Airbus Tochter Premium- Aerotec. „Ich habe vom kleinsten Airbusteil bis zu grossen Rumpfsegmenten alles gebaut“, erzählt der Hobbypilot, der in seiner Freizeit auch gerne selbst im Cockpit sitzt. Letztes Jahr wechselte der Münchener nach Sankt Augustin und führt seitdem die Geschäfte der Heliservice GmbH.

Die Wartung
Es gibt, vereinfacht gesagt, drei Instandhaltungsstufen. Die erste (Line Maintenance) erfolgt alle 100 Flugstunden, und zwar vor Ort. Also an dem Krankenhaus oder Bergstation, an dem der Helikopter im Einsatz ist. Diese kleine Kontrolle beinhaltet beispielsweise die Prüfung des Ölstandes, eine Sichtüberprüfung von Leitungen (tritt irgendwo eine Flüssigkeit aus?) sowie eine Funktionsüberprüfung von Funkgeräten und anderen Instrumenten. Ab- oder ausgebaut wird in der Regel nichts.

Die mittlere Wartung, auch Base-Maintenance genannt, erfolgt nach 400, bzw 500 Flugstunden (je größer der Helikopter, umso kürzere Intervalle) – oder aber
spätestens nach 12 Monaten – und kan nnur in einer entsprechend ausgestatteten Werft durchgeführt werden.

  • Technik-Chef Sebastian Friese, Redakteurin Hannah Sahm und Geschäftsführer Ulrich Amersdorffer

    Technik-Chef Sebastian Friese, Redakteurin Hannah Sahm und Geschäftsführer Ulrich Amersdorffer, v.l.n.r.

Hierbei prüft ein Fluggerätmechaniker oder eine Fluggerätmechanikerin den Helikopter in vielen Details. Jedoch ist der Wartungsumfang – im Gegensatz zur großen Wartung – deutlich kleiner.

Die große Wartung, ebenfalls Base-Maintenance, findet nach 800, bzw. 1.000 Flugstunden – oder aber spätestens nach 36 Monaten – statt und gleicht einer Generalüberholung.

Allen Base-Maintenance-Kontrollen gemein ist, dass zunächst ein Erstbefund stattfindet, bei dem geguckt wird, wo der Airbus unnormal dreckig ist, was z.B. für austretende Flüssigkeiten sprechen kann. Zum Erstbefund zählt auch, dass der Pilot eventuelle Beanstandungen an den Techniker übermittelt. Danach wird der Heli gewaschen und fährt anschließend ins Dock.

Sebastian Friese zeigt auf das Heck eines H135, das ziemlich nackt aussieht: „Hier werden die Verkleidungen für das Haupttriebwerk, weitere Triebwerke sowie für die Heckrotorwelle abgenommen.“ Viele Komponenten des Hubschraubers haben eine vorgegebene Lebensdauer, dann müssen sie – unabhängig vom Zustand – ersetzt werden. Ein Triebwerk beispielsweise wird nach 4500 Flugstunden gewechselt.

Die anschließende Kontrolle unterteilt sich in mehrere Kapitel, wie Kraftstoffkontrolle, Hydrauliksystem, Avionik, Haupt- und Heckrotor, Hauptgetriebe, Rotorblätter etc. und unterliegt strengen Vorschriften, die für jede Komponente schriftlich vorgegeben sind.

Es werden alle Anschlussstellen sämtlicher Kabel und Verbindungen begutachtet und auf Lecks oder Risse überprüft. Der erfahrene Techniker erkennt einzelne Risse, wo das Laienauge gerade mal eine Schraube sieht. Farbmarkierungen an den Schrauben helfen zu erkennen, ob sich eine Schraube von selbst gelockert hat und viele Schrauben sind mit verzwirbelten Drähten gesichert, damit sie sich von alleine nicht lösen können. Die Tatsache, dass ein Techniker tatsächlich jedes Kabel zuordnen kann, ist gleichermaßen verblüffend wie unvorstellbar. Ein Fluggerätmechaniker erlangt die Lizenz zur Endabnahme nach ca. fünf Jahren Prüftätigkeit. Für die Endabnahme darf der „Certifying Staff“ während der Wartung selbst nicht am Helikopter mitgearbeitet haben. Alle diese Maßnahmen gewährleisten, dass die hier gewarteten Helikopter sicher in die Luft gehen, um draußen Leben zu retten.

Straße, Berge und das Meer
Die ADAC Luftrettung ist mit aktuell 55 Hubschraubern eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas. Helis, die von Sankt Augustin starten, kommen in der ganzen Bundesrepublik zum Einsatz. Auf normalem Pflaster sowie in den Bergen und zur See.

Aktuell steht ein brandneuer Hubschrauber für die Seerettung in der Werft, an der Außenverkleidung klebt noch die Schutzfolie. „An den Kufen erkennt man direkt, dass dieser Heli für die See geplant ist“, erklärt Ulrich Amersdorffer. Im Gegensatz zu normal geraden Kufen, sind diese länger und neigen sich am Ende ein wenig nach oben. „Dort sitzt das emergency floatation system“, ein Notwasserungssystem, das im Ernstfall ein längliches Float aufbläst, ähnlich einem Airbag, damit der Heli auf dem Wasser landen kann.

Die nächstgelegene Luftrettungsstation von hier aus, befindet sich in Köln, am Flughafen Köln/Bonn. Die Annahme, dass es immer besonders dramatisch ist, wenn die Luftrettung einfliegt, bestätigt Amersdorffer mit Einschränkung: „Meist spielt die zeitliche Komponente eine wichtige Rolle. So kommt die Luftrettung natürlich deutlich schneller in ländliche Gebiete, aber auch in Gelände, in dem ein Rettungswagen schlecht fahren kann. In vielen Regionen ist der Rettungshubschrauber bei einem Notfall häufig aber auch das einzig verfügbare Rettungsmittel.“

Im Gegensatz zum RTW ist im Helikopter immer direkt ein Notarzt an Bord. So gleicht der H145-Airbus, mit Platz für eine dreiköpfige Besatzung plus einem liegenden Patienten, einer fliegenden Intensivstation. Im vergangenen Jahr verzeichnete die ADAC Luftrettung mit mehr als 55.000 Alarmierungen einen neuen Einsatzrekord; rund acht Prozent entfallen dabei auf Sekundärtransporte, also Patientenverlegungen in ein anderes Krankenhaus.

Die Rettung von Menschenleben per Luftrettung ist wohl eine der schnellsten, effektivsten und umfassendsten, die es gibt. Bleibt zu hoffen, dass man sie nie braucht, aber wenn, dann sorgt hier ein Team hochqualifizierter Mechaniker dafür, dass die Hubschrauber immer sicher abheben.

Hannah Sahm begutachtet Werkzeuge
Detailaufnahme Technik am Helikopter
Frontalansicht Helikopter

(HS)

Fotos: Wolfgang Hübner-Stauf